Breite Themenpalette bei Tagung der Oberpfälzer Landräte
Amberg-Sulzbach. Wie ist Bayern und die Oberpfalz bei Starkregenereignissen wie vor kurzem in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gerüstet. Das war eines der Themen bei der Tagung der Oberpfälzer Landräte in Bodenwöhr (Landkreis Schwandorf).
Der Amberg-Sulzbacher Landrat Richard Reisinger und zugleich Sprecher der Oberpfälzer Landräte merkte hierzu an, dass die „Effizienz der Strukturen“ bei einem Katastrophenfall (K-Fall) aufgrund der aktuellen Ereignisse überprüft werden müssen. „Knackpunkt“ sei, die Bevölkerung zu alarmieren. Hier ist laut des Chamer Landrats Franz Löffler die „Sirene ein probates Mittel“, denn nicht alle Menschen sind über Handy erreichbar und erhalten Push-Up-Meldungen über WarnApps wie KatWarn oder NINA. Gleichzeitig stellte er auch fest, dass solche Wetterereignisse wie vor kurzem im Westen Deutschlands bisher nicht bekannt waren und eine Vorhersage nur sehr schwer bis nicht möglich sei: „Das kann man nicht prognostizieren.“
Für Regierungspräsident Axel Bartelt stellen die Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen eine „historische Katastrophe“ dar, die uns unerbittlich mit den Auswirkungen des beginnenden Klimawandels konfrontiert. „Das sollte uns alle aufrütteln und sehr nachdenklich machen.“ Brandrat Norbert Koller vom Sachgebiet Sicherheit und Ordnung bei der Regierung der Oberpfalz berichtete über den Einsatz in Rheinland-Pfalz, bei dem bis heute circa 600 Kräfte aus der Oberpfalz vor Ort Unterstützung leisteten. Entsprechend seiner Erfahrungen aus dem Einsatz sieht er Bayern für den Ernstfall gut gerüstet.
Vierte Welle, ja, aber anders
Außerdem beschäftigte unter anderem die Sorge der sich ausbreitenden vierten Welle und der Delta-Variante die Oberpfälzer Landräte. Deshalb hatten sie den Infektiologen Prof. Dr. Bernd Salzberger von der Uniklinik Regensburg eingeladen, um sich mit ihm per Videokonferenz über das Thema auszutauschen.
Eine vierte Welle werden wir bekommen, aber sie wird anders sein, prophezeite der Infektiologe den Landräten. Vor allem junge Menschen, die nicht geimpft sind, werden laut Prof. Dr. Salzberger wohl erkranken. Aber der Regensburger Infektiologe rechnet mit weniger schlimmen Krankheitsverläufen und weniger Krankenhausaufenthalten. Dadurch werden wir „eine anderen Belastung des Gesundheitssystems“ haben, so Prof. Dr. Salzberger.
Viele Risikopatienten seien schon geimpft, deshalb sei die Hoffnung durchaus groß, dass die Krankenhäuser in der vierten Welle nicht so stark belastet werden.
Empfehlung, sich impfen zu lassen
Infektiologe Prof. Dr. Bernd Salzberger, zugleich Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, rät zur Corona-Schutzimpfung. Was die Wirksamkeit aller Impfstoffe bei der Verhinderung von Infektionen angeht, gebe es keine Zweifel. „Wenn es trotz Impfung zu Infektionen kommt, verlaufen diese weniger schwer“, so der Infektiologe. „Tödliche Verläufe werden um mehr als die Hälfte reduziert.“
Mittlerweile sind laut Regierungspräsident Axel Bartelt knapp 60 Prozent der Oberpfälzer einmal geimpft, rund 55 Prozent hätten bereits den vollständigen Impfschutz. Auch der Regierungspräsident warb ähnlich wie der Infektiologe Prof. Dr. Salzberger erneut für die Corona-Schutzimpfung. „Die Impfung ist der einzige wirksame Schutz vor einer schweren Corona-Erkrankung. Jeder der noch nicht geimpft ist, aber sich impfen lassen kann, sollte hier noch einmal in sich gehen“, so Bartelt.
Landrat Richard Reisinger aus dem Landkreis Amberg-Sulzbach und dessen Chamer Kollege Franz Löffler wollten vom Experten noch mehr über die Impfung von Kindern und den idealen Zeitpunkt einer dritten Impfung wissen. Prof. Dr. Salzberger empfiehlt eine Impfung auch für Kinder, wenngleich sie von einer Erkrankung nicht sehr häufig betroffen seien. Hier gehe es zum Teil auch um den Schutz von Eltern, für die eine Erkrankung ein Risiko darstellen würde. Den richtigen Zeitpunkt für die dritte Dosis sieht Prof. Dr. Bernd Salzberger ungefähr 6 Monaten nach den zweiten Impfungen als ideal.
Von Seiten der Staatsregierung sind die so genannten Booster-Impfungen zunächst vor allem in Pflege- und Seniorenheimen angedacht, berichtete die künftige Geschäftsführerin des Bayerischen Landkreistags, Andrea Degl. Mobile Impfteams sollen die Auffrischungsimpfungen verabreichen. Verwendet werden sollen jeweils mRNA-Impfstoffe wie BioNTech und Moderna.
Andrea Degl ab Oktober neue Geschäftsführerin
Für Andrea Degl war es die erste Sitzung mit den Oberpfälzer Landräten. Sie übernimmt zum 1. Oktober die Geschäftsführung des Bayerischen Landkreistags. Der derzeitige Amtsinhaber, Dr. Johann Keller, verabschiedet sich dann in den wohlverdienten Ruhestand. Landrat Richard Reisinger als Sprecher der Oberpfälzer Landräte begrüßte die gebürtige Münchnerin in der Runde bestehend aus aktuell einer Landrätin, sechs männlichen Kollegen und einem Regierungspräsidenten.
Degl begann nach der Zweiten juristischen Staatsprüfung ihren Dienst beim Freistaat Bayern als Richterin auf Probe beim Verwaltungsgericht München. Es folgten weitere Stationen unter anderem im Innenministerium sowie in der Bayerischen Vertretung in Berlin und dem Bayerischen Justizministerium. Von 2017 bis 2018 war Andrea Degl Regierungsvizepräsidentin von Oberbayern, bevor sie ins Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr wechselte, wo sie bis zuletzt tätig war.
PCR-Pooltests an Grund- und Förderschulen
Degl informierte die Landräte über die Pläne des Bayerischen Gesundheitsministeriums, im kommenden Schuljahr PCR-Pooltests an Grund- und Förderschulen durchzuführen. Testungen von Schülern sind für die Bayerische Staatsregierung einer der zentralen Pfeiler bei der Bekämpfung der Pandemie. Vor allem im Bereich der Grundschulen spiele dies eine Rolle, weil Grundschüler nicht geimpft werden können. Im Vergleich zu Antigen-Selbsttests bieten PCR-Tests eine höhere Sensitivität. Die Pool-Testung ist zudem besonders bei einem geringen Infektionsgeschehen eine effiziente, kosten- und ressourcenschonende Möglichkeit für Reihentestungen mit einem hohen Probeaufkommen. Der Freistaat schafft die notwendigen Labor- und Logistikkapazitäten, logistische Unterstützung soll laut Degl durch die Landratsämter erfolgen.
Demnach sind in der Oberpfalz nach derzeitiger Planung zwei Knotenpunkte vorgesehen, Neumarkt und Regensburg, von wo aus die Tests ins Labor nach Weiden gebracht werden sollen. Noch im August sollen entsprechende Routenpläne ausgearbeitet werden, die Fahrten selbst sind dann ab Oktober geplant. Landrat Richard Reisinger ergänzte, dass dieses Thema in einer der folgenden Videokonferenzen mit dem Gesundheitsminister noch einmal angesprochen werden soll.
Kein Endlager in der Oberpfalz
Landrat Thomas Ebeling aus Schwandorf, der von den Landratskollegen aus der Oberpfalz als politischer Ansprechpartner für Fragen der Endlagersuche benannt und mit der Koordinierung in der Oberpfalz betraut wurde, erstattete zum Abschluss noch kurz einen Bericht, nachdem zuvor bereits von Seiten der Oberpfälzer Landräte und Oberbürgermeister Kritik am „Zwischenbericht Teilgebiete“ der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) geäußert wurde. Nach dieser Untersuchung, bei der es um die Frage ging, welche Regionen in Deutschland von den geologischen Voraussetzungen her überhaupt für eine eventuelle Endlagerung geeignet sein könnten, fielen 46 Prozent der Fläche der Bundesrepublik durch das Raster. „Wir waren alle etwas erstaunt, dass der Bericht 54 Prozent der Fläche für geeignet hält. Wir hätten uns eine weitere Eingrenzung gewünscht“, sagte Ebeling im Kreise seiner Kollegen. Gleichermaßen überrascht war der Schwandorfer Landrat, dass zum Beispiel Gorleben bereits aus der Auswahl herausgefallen ist, obwohl es jahrelang als Standort im Gespräch gewesen sei. Die Landräte in der Oberpfalz sind überhaupt nicht damit einverstanden, weiter als mögliches Gebiet zu gelten. Sie sehen nicht nachvollziehbare Sachverhalte und methodische Fehler in der Untersuchung.
Ein Beispiel: Grundsätzlich als geeignet erklärt wurden Böden mit Ton, Salz und kristallinem Wirtsgestein – Gneis und Granit. Granit, wie er vor allem in unserer Region vorkommt, sei aber eigentlich zerklüftet. „Er drängt sich also nicht unbedingt auf“, betonte Landrat Thomas Ebeling. Dennoch sei er für tauglich erklärt worden, wenn er durch technische Maßnahmen entsprechend ertüchtigt wird. Heißt im Klartext: Der Granit müsste im Gegensatz zu den anderen beiden Böden erst einmal bearbeitet werden, um die Voraussetzungen zu erfüllen. Die Vorgeschichte, mit der die Region ihren Beitrag zur Atomkraft bereits geleistet hat, sei im Übrigen hinlänglich bekannt. Vom Tagungsort Bodenwöhr ist Wackersdorf nicht weit weg. „Wir haben unseren Beitrag schon geleistet und sind mit unserem Granit auch nicht optimal geeignet, aber letztlich wird es wohl eine Entscheidung des Bundestages und damit trotz vieler Gutachten auch eine politische Entscheidung werden, wo das Endlager hinkommt“, fasste Ebeling seinen Bericht zusammen.