IHK zeichnet Konzepte der regionalen Kommunalentwicklung aus
REGENSBURG. Eine hohe Lebens- sowie Arbeitsqualität und ein attraktiver Wirtschaftsstandort sind Eigenschaften, die Kommunen gerne zu den ihren zählen. Doch damit diese von der Soll- auf die Haben-Seite gebucht werden können, braucht es „innovative Konzepte und eine aktive Kommunalentwicklung mit Blick auf zukünftige Trends und Herausforderungen“, betont Michael Matt, Präsident der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim. Jene Ideen und Projekte, die auch im Sinne der ansässigen Gewerbetreibenden stehen, zeichnete die IHK heute erstmalig mit dem Kommunalentwicklungs-Award aus.
Identifikationskerne schaffen
Innenstädte sind prägend für eine Region. Sie sind entscheidende Identifikationskerne, um sowohl als Wirtschaftsstandort wie auch als Arbeits- und Wohnort attraktiv zu bleiben. „Gute Rahmenbedingungen locken und halten Unternehmen und damit auch deren Fachkräfte. Diese werden zu Bewohnern der Region und steigern wiederum deren Kaufkraft und Wohlstand“, schildert Matt die Synergieeffekte zwischen Wirtschaft und Kommune. Jahrzehntelang hätten die Kommunen von einem starken und frequenzbringenden Einzelhandel in den Ortskernen profitiert. Doch nicht zuletzt die Coronakrise erhöhte den Druck auf Innenstädte, Ortszentren und die dort ansässigen Unternehmen. Bereits vor der Pandemie nahmen Kundenfrequenzen ab, während die Umsatzanteile des Onlinehandels stiegen. Der Ausbau von Verkaufsflächenschwerpunkten mit innenstadtrelevanten Sortimenten auf der „grünen Wiese“ oder in Gewebegebieten fordert die in den Zentren ansässigen Gewerbetreibenden zusätzlich heraus. „Es ist höchste Zeit, für ihre Unterstützung zu sorgen und langfristige Strategien für die Zukunft der Innenstädte zu entwickeln“, betont IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Jürgen Helmes. Denn ohne ein vielfältiges Angebot aus Einzelhandels- und Dienstleistungsunternehmen sowie Gastronomie und Hotellerie entstehen Leerstände und die Immobilienwerte, das Versorgungsangebot sowie die Aufenthaltsqualität nehmen ab. Doch auch über die Grenzen der Innenstadt hinaus benötigt eine Kommune langfristige Strategien, beispielsweise im Hinblick auf ausreichend Entwicklungsflächen für Wohnraum, Freizeitanlagen und Unternehmen sowie eine leistungsfähige Infrastruktur – auf der Straße ebenso wie auf den Datenautobahnen.
Gemeinsam mit einer Jury aus Fachexperten des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens kürte die IHK die vielversprechendsten Konzepte regionaler Kommunen, die genau dort ansetzen. Zur Bewerbung konnten Projekte eingereicht werden, die entweder bereits umgesetzt wurden oder sich noch in der Realisierung befinden.
Leerstände füllen
In der Kategorie der Kommunen mit mehr als 5.000 Einwohnern konnte sich der Markt Langquaid durchsetzen. Bürgermeister Herbert Blascheck wirkt seit fast zwei Jahrzenten der Leerstandsthematik aufgrund unattraktiver Bausubstanz entgegen. Mithilfe des Städtebauförderprogramms „Soziale Stadt“ konnte ein Projektmanagement ins Leben gerufen werden, das als Anlaufstelle für Bürger dient sowie Leerstands-Management und Stadtmarketing betreibt. Gemeinsam mit den Immobilienbesitzern konnte Langquaid ein umfassendes Revitalisierungsprogramm umsetzen. Zentrale Gebäude im Ortskern wurden saniert und werden inzwischen neu genutzt – für Wohnen, Handel, Hotellerie, Gastronomie und als Therapiezentrum. Unternehmen fanden zurück in die Innenstadt, gleichzeitig entwickelte das Stadtmarketing die Dachmarke „Lebenswert-Liebenswert-Langquaid“, um eine stärkere Kundenbindung der Bevölkerung für den Standort zu schaffen.
Der Markt Waldthurn überzeugte die Jury mit seiner Agenda „Waldthurn 2020“ in der Kategorie der Kommunen mit weniger als 5.000 Einwohnern. Unter der Leitung von Bürgermeister Josef Beimler und Geschäftsstellenleiter Karl-Heinz Schmidt realisierte die Kommune ein umfangreiches Konzept, um der demographischen Entwicklung im ländlichen Raum und der damit einhergehenden Verödung und Überalterung des Ortskerns entgegenzuwirken. Mithilfe von Fördergeldern wurden leerstehende, denkmalgeschützte Häuser am Marktplatz erworben, saniert und einer neuen Nutzung zugeführt. So zogen ein Dorfladen, eine Physiotherapie mit angeschlossenem Fitnessstudio, Tagespflege mit Gesundheitszentrum sowie Mietwohnungen in die Ortsmitte. Über das Zentrum hinaus wurden weitere standortrelevante Gebäude wie die Grundschule mit angeschlossenem Kindergarten und Kita oder das Schloss Lobkowitz als Pfarr- und Gemeindezentrum saniert beziehungsweise revitalisiert.
Fläche für Kreativität und Kultur
Auch in Amberg wird Raum umgenutzt. Die IHK verlieh Bürgermeister Michael Cerny und Karlheinz Brandelik von der Gewerbebau Amberg für das gemeinsame Projekte „Stadtlabor Amberg“ einen von zwei Sonderpreisen des Kommunalentwicklungs-Awards. In ein leerstehendes Reisebüro innerhalb der Fußgängerzone zog zur Zwischennutzung das Stadtlabor ein. Auf rund 100 Quadratmetern wurde Raum für neue Projekte geschaffen: Die lokale Gründerszene findet dort Platz, Ideen für den lokalen Handel können unkompliziert getestet und neue Nutzungskonzepte für die Zukunft der Innenstadt aufgezeigt werden. Neben digitalen Schaufenstern, Showrooms und Verkaufsbereichen gibt es beispielsweise flexible Arbeitsplätze für Co-Working. Das Stadtlabor Amberg soll die drei Kernwerte der Stadt Amberg – Innovation, Kreativität und Geborgenheit – erlebbar machen. Dazu nutzt die Wirtschaftsförderung Amberg zusätzlich das große Netzwerk junger Amberger aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, das sich rund um den von der Wirtschaftsförderung betriebenen Amberg Blog etabliert hat. Über die digitalen Medien werden innovative, kreative und nachhaltige Projekte beworben sowie Einkaufs- und Freizeittipps für Bürger und Besucher vorgestellt.
Für die Stadt Cham suchte Bürgermeister Martin Stoiber eine Möglichkeit, unter Beachtung aller Hygiene- und Abstandsregeln während der Corona-Pandemie den Händlern eine Perspektive und den Bürgern mehr Lebensqualität zu bieten. Unter der Federführung von Kulturreferentin Petra Jakobi startete im Sommer 2020 das ebenfalls mit einem Sonderpreis ausgezeichnete Projekte „Cham blüht auf“, gefolgt von der viermonatigen Veranstaltungsreihe „Cham blüht auf 2021 – ein Sommertraum“. Im Stadtkern wurden Schaufenster zu Galerien und zeigten die Kunst regionaler Künstler. Mithilfe von Pflanztürmen, einem Kräuter- und Gemüsehügel, Schau- und Duftbeeten, Blumen in Trögen, dekorativen Gefäßen und auf Wägen wurde die Stadt bunter. Verteilt im gesamten Innenstadtgebiet oder dem rathausnahem Märchenwald wurde so eine Aufenthaltsqualität geschaffen, die Kunden und Touristen in die Innenstadt locken soll.
„Erfolgreiche Kommunalentwicklung gelingt nur im Zusammenspiel unterschiedlicher Bereiche und Akteure“, resümierte IHK-Präsident Matt mit Blick auf die Konzepte aller Bewerber. Der Award solle nicht nur Kommunen ehren, sondern eine Plattform für den Austausch kreativer Ideen schaffen.